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Ein Kreis für Suchende und Wissende

Durch Blut zum Licht!

In einer Zeit des Umbruchs, als alte Werte zu zerfallen schienen und neue Weltanschauungen an die Oberfläche drängten, wurde 1918 ein Kreis ins Leben gerufen, der weit mehr als nur eine politische oder esoterische Bewegung war. Die Thule-Gesellschaft – benannt nach dem mythischen Ultima Thule, dem sagenhaften Ur-Ort jenseits der bekannten Welt – formierte sich als geistige Bruderschaft für jene, die suchten. Suchten nach Wahrheit, nach Herkunft, nach dem Licht hinter dem Schleier der Zeit.

Wer das Erbe seiner Väter nicht kennt, bleibt ewig ein Kind“, schrieb Rudolf von Sebottendorff, Gründer der Thule-Gesellschaft, ein Mann, dessen Denken okkulte Weisheit mit völkischer Identität verband. Doch was verbarg sich hinter diesem Kreis? Und warum zieht die Idee von Thule noch heute jene an, die sich als Wissende oder als Suchende verstehen?

Der Ruf nach Herkunft und Geist

Der Erste Weltkrieg hatte Europa erschüttert. Millionen von Toten, eine zerfallende Ordnung – viele Menschen suchten Halt. Inmitten dieser geistigen Leere trafen sich im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten Männer, die mehr wollten, als die Wiedererrichtung politischer Strukturen. Sie suchten den Ursprung. Thule stand für eine verlorene arische Urheimat, für ein geistiges Zentrum, das durch Jahrtausende hinweg in Mythen, Runen und verborgenen Lehren überdauerte.

Blut ist ein ganz besonderer Saft“, schrieb Sebottendorff in Anlehnung an Goethe – doch für ihn war das Blut nicht nur Träger der Ahnen, sondern Schlüssel zur Erkenntnis. Thule verstand sich nicht als Klub, sondern als Initiationsweg. Ein Kreis, in dem Wissen und Wille, Mythos und Meditation, Kampf und Kontemplation Hand in Hand gingen.

Esoterik, Runen, Atlantis – und Tibet

Der Thule-Kreis war nicht homogen. Okkultisten, Nationalisten, Mystiker und Forscher trafen sich unter einem Banner. Sebottendorff selbst war tief beeinflusst von seiner Zeit in Konstantinopel, wo er in sufische Kreise eingeführt wurde. Er praktizierte Astrologie, Runenmagie und war überzeugt von der Wirkkraft geistiger Rituale. Für ihn war Thule nicht nur eine Idee – es war ein realer Ort im seelischen Raum, den man durch Disziplin, Erkenntnis und Blut erreichen konnte.

Der Weg zum Licht führt durch das eigene Dunkel“, so ein oft zitierter Gedanke aus seinen späteren Aufzeichnungen. Viele Mitglieder der Thule-Gesellschaft verbanden damit auch den Glauben, dass das „Licht“ nur durch die Überwindung des modernen Materialismus und der „Entwurzelung“ erreichbar sei. Tibet und Atlantis galten als verlorene Hochkulturen – nicht zufällig suchten einige Thule-Anhänger dort nach den Ursprüngen der Menschheit.

Ein spiritueller Weg – nicht für jedermann

Es war nie das Ziel der Thule-Gesellschaft, massenwirksam zu sein. Im Gegenteil: Nur der „Wissende“, so Sebottendorff, könne in den inneren Kreis treten. Wer nur „wissen wolle, ohne zu leben, sei ein Dieb am Heiligtum“. In einer Welt, in der Information jederzeit verfügbar scheint, wirkt dieser Anspruch fast anachronistisch – und doch ist er vielleicht aktueller denn je.

Heute, in einer Zeit des geistigen Lärms, wächst erneut das Bedürfnis nach innerer Wahrheit. Thule – als Idee – lebt weiter. Nicht als politische Bewegung, sondern als Herausforderung an den Einzelnen. Als Einladung, sich selbst auf den Weg zu machen. Dorthin, wo Fragen mächtiger sind als Antworten.

Schlussgedanke

Rudolf von Sebottendorff schrieb:
„Die meisten Menschen fürchten das Licht mehr als die Dunkelheit, weil das Licht Wahrheit bringt – und Wahrheit fordert Opfer.“

Der Thule-Kreis war und ist kein Zufluchtsort für Bequeme. Sondern ein Ort für jene, die bereit waren und sind, alles zu riskieren – um zu erkennen. Und vielleicht ist es genau das, was Thule heute wieder bedeutsam macht: Der Mut, zu suchen. Und die Demut, zu erkennen.